Wie Sie wissen, spreche ich normalerweise in höchsten Tönen von der Schweiz und ihrer Kultur der direkten Demokratie, die auf dem Subsidiaritätsprinzip und der freien Rede basiert.
Das Subsidiaritätsprinzip steht für das Grundprinzip, dass Aufgaben, Handlungen und Problemlösungen so weit wie möglich vom Einzelnen, von der kleinsten Gruppe oder der untersten Ebene einer Organisationsform unternommen werden sollen. In anderen Worten schützt es die Freiheit des Individuums vor Zwang von aussen. Hilfe zur Selbsthilfe soll aber immer das oberste Handlungsprinzip der jeweils übergeordneten Instanz sein. Als Hilfe zur Selbsthilfe bezeichnet man das Prinzip, das Maßnahmen zu Grunde legt, die den Not leidenden Menschen (z. B. den Mittellosen, den Patienten) dazu befähigen, sich selbst zu helfen bzw. sich selbst Hilfe zu organisieren.
Dieses Prinzip basiert auf einem der Grundgedanken des Rütlischwurs von 1291, der
quasi die geistige Basis der Schweiz begründete. Die Zeile lautet: «und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen».
In der Vergangenheit wurde ich kritisiert für das, was manche als übertriebenen Optimismus hinsichtlich unserer Zukunft empfinden. Dies ist auch verständlich, wenn man täglich die Nachrichten verfolgt, die nur so strotzen voller Erinnerung daran, wie gefährlich die Welt geworden ist. Dennoch zeigt die jüngste Entscheidung des Schweizer Sozialversicherungsfonds, auf die wir in diesem Artikel eingehen werden, dass unabhängiges Denken und rationale Entscheidungsfindung, und damit Hoffnung, immer noch existiert, selbst in Regierungskreisen.
Der wichtigste Schweizerische Sozialversicherungs-Pensionsfond, der AHV Fond, hat entschieden seinem Portfolio von CHF 35.2 Milliarden physisches Gold als strategische Reserve hinzuzufügen. Anfang Juni wurde eine Ausschreibung für die Verwahrung und Lagerung von Goldbarren im Wert von CHF 700 Millionen bekanntgegeben.
Dies bezeichnet einen historischen Schritt für den AHV Fond (Alters- und Hinterlassenenversicherung), der als „Erste Säule“ im Schweizerischen Pensionssystem fungiert, da zuvor stets nur über Swapgeschäfte in Gold und Silber investiert wurde. Bis Ende 2018 soll dieser Wechsel zu physischen Metallen vollzogen werden. Hierfür lässt man die Swapgeschäfte auslaufen und geht zu einem Edelmetallportfolio über, welches einzig aus physischem Gold besteht.
Während noch keine weiteren Details über die Gründe für den Strategiewechsel bekannt gegeben wurden, bieten die seit einiger Zeit aufgetretenen Bedenken rund um den AHV Fond wertvolle Erkenntnisse. Auch wenn er 2017 Erträge in Höhe von 7% erzeugte, ist der Ausblick auf die finanzielle Zukunft des Fonds besorgniserregend, wie auch das Management des Fonds in einer Stellungnahme im Februar zugab. Durch demographische Entwicklungen und im speziellen die alternde Schweizerische Bevölkerung ist eine wachsende Finanzierungslücke entstanden. Im März befanden sich diese Sorgen dann am Höhepunkt, als die Schweizer Regierung offiziell strukturelle Veränderungen vorantrieb und das Parlament nun eine Reform der „Ersten Säule“ bis Ende dieses Jahres erwartet.
Da die AHV unter Druck steht und systemische Schwachstellen weiterhin die gesamte Wirtschaft bedrohen, könnte der Wechsel zu physischem Gold als ein Schritt hin zum Erhalt der Vermögenswerte und als Folge einer strikten Risikoabwägung gedeutet werden. Diese Verlagerung betrifft zwar “nur” 2% des Gesamtvermögens, darum geht es jedoch nicht. Der Punkt ist, dass dieser Schritt unternommen wird, da die massiven Risiken in unserem derzeitigen System als auch die Notwendigkeit, sich auf Risikomanagement und Kapitalerhaltung zu konzentrieren, verstanden wurden.
Physisches Gold ist die beständigste Form des Geldes und ein bewährter Wertspeicher seit tausenden von Jahren, da es kein Gegenparteirisiko birgt und immer noch von allen Marktteilnehmern als wertvolles Gut angesehen wird. Wenn wir die jüngste Goldrückführung der Zentralbanken rund um den Globus beobachten, sehen wir einen weiteren Beweis dafür, dass sogar Zentralbanker Gold als echtes Geld betrachten. Der Großteil des Goldes wurde von Westen nach Osten transportiert. Es ist schwer, korrekte Daten aus China zu erhalten. Konservativen Schätzungen zufolge besitzt China rund 18.000 Tonnen physisches Gold und ist damit zum größten „Hamsterer“ von Gold geworden. Es gibt Gründe dafür, solche Zahlen ernst zu nehmen.
Normalerweise findet man in den Massenmedien viel Lärm aber keine verlässlichen Signale. Diese Entscheidung ist jedoch ein lautes und klares Signal, welches diejenigen, die in der Lage sind das Hintergrundrauschen abzustellen, verstehen und für sich und ihre Lieben Verantwortung übernehmen werden. Wir werden nie wissen, was die Zukunft bringt, aber wir können Entwicklungen identifizieren. Es ist weise, in physische Edelmetalle zu investieren, da die Dekonstruktion der Fiat-Währungen weiter voranschreitet. Neben der über die Zeit getesteten Funktion als Wertspeicher ist das Aufwärtspotential von Gold weit größer als das Abwärtsrisiko. Darüber hinaus ist es sehr liquide, da man es ja jederzeit auch verkaufen kann.
Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass rein zyklisch gesehen, der Goldpreis am Anfang einer neuen Hausse steht. Wir wissen, dass alles, so auch die Märkte in Zyklen verlaufen. Wir wissen auch, dass die Zentralbanken diese Zyklen durch Gelddrucken beeinflussen können. Die Vergangenheit beweist allerdings, dass Zyklen nie verhindert oder gestoppt werden konnten.
Zusammenfassend ist der Umschwung hin zu physischem Gold ein weiteres Beispiel welches zeigt, dass die Schweiz sich weiterhin vom Rest der Welt unterscheidet. Über die letzten drei Jahre gab es zwei öffentliche Schlüssel-Debatten in der Schweiz. Zum Einen die Gold-Initiative und nun die Vollgeld-Initiative, mit einem offenen Dialog der verschiedene Ideen zu- und miteinander konkurrieren ließ. Die Entscheidung des Pensionsfonds zeigt, das gute Ideen immer noch Menschen erreichen können – selbst diejenigen an der Spitze der Pyramide.
© Claudio Grass, Hünenberg, Schweiz
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Dieser Artikel wurde ursprünglich im Newsroom des Edelmetallhändlers pro aurum veröffentlicht. Alle Rechte liegen bei der Autorin und bei pro aurum.